Bad Lippspringe. Er weigerte sich, einen Eid auf Adolf Hitler abzulegen und in die Wehrmacht einzutreten. Dafür bezahlte er mit seinem Leben. Wilhelm Kusserow, geboren in Bochum und aufgewachsen in Bad Lippspringe, war ein Zeuge Jehovas, der an diesem Tag vor 80 Jahren wegen seines Glaubens in Münster von der NS-Diktatur hingerichtet wurde.
Kusserow wusste, dass auf Kriegsdienstverweigerung die Todesstrafe stand. Im vollen Bewusstsein der Konsequenzen habe er sich aber an den biblischen Maßstab der Nächstenliebe gehalten, schreibt die Arbeitsgruppe Stolpersteine Bad Lippspringe in einer Würdigung Kusserows.
Wilhelm Kusserow war eines von elf Kindern von Franz und Hilda Kusserow. Er war ein talentierter Graveur und arbeitete bei der Firma Gerhardy in Lüdenscheid, die hochwertige Bestecke herstellte. Als überzeugte Zeugen Jehovas lehnte die Familie entschieden jede Beteiligung an Gewalt und Krieg ab, da es für sie mit der Nächstenliebe unvereinbar war. Trotz Verbot, Verfolgung und Entrechtung übten sie ihren Glauben aus.
"Schwer, diesen Gang zu gehen"
Daher kamen die Eltern und fünf von Wilhelms Geschwistern in Gefängnisse oder Konzentrationslager, wie zahlreiche Aufzeichnungen belegen. Seine drei jüngsten Geschwister wurden den Eltern entrissen und in NS-Erziehungsheime gebracht. Wilhelm und sein Bruder Wolfgang wurden hingerichtet. In seinem Abschiedsbrief, den er einen Abend vor seinem Tod verfasste, schrieb Wilhelm, dass er Gott treu war „bis zum Tode [ ]. Allerdings ist es sehr schwer, diesen Gang zu gehen". Bis zuletzt hätte er sich bereit erklären können, als Soldat in den Krieg zu ziehen, um der Todesstrafe zu entgehen. Aber er blieb bei seiner Überzeugung.
Eine Erinnerungs-Stele in Münster auf dem Gelände der heutigen Universitäts-Hautklinik erinnert an Wilhelm Kusserow. Dort befand sich auf einem Feld hinter dem damaligen Standortlazarett die Richtstätte. Zwei Jahre nach der Ermordung des 25-jährigen Wilhelm wurde sein Bruder Wolfgang ebenfalls wegen Wehrdienstverweigerung angeklagt und verhaftet. Er wurde am 28. März 1942 im Alter von nur 22 Jahren durch die Nazis enthauptet.
Das Grab von Wilhelm und Wolfgang Kusserow wird noch heute von der Stadt Bad Lippspringe als Andenken gepflegt. Um die Erinnerungskultur weiter lebendig zu erhalten, hat sich die Arbeitsgruppe Stolpersteine Bad Lippspringe auf Spurensuche zum Schicksal der 13-köpfigen Familie Kusserow gemacht. Und das mit Erfolg: Noch in diesem Jahr sollen 13 Stolpersteine zum Gedenken an die Familie durch den Künstler Gunter Demnig verlegt werden. Die Geschichte der Familie ist mittlerweile umfassend dokumentiert.
400 weitere Hinrichtungen
Auch mit Blick auf die vielen hingerichteten Wehrdienstverweigerer unter den Zeugen Jehovas wurde im Jahr 1949 der Artikel 4 III des Grundgesetzes, der die Freiheit der Gewissensentscheidung gegen den Kriegsdienst mit der Waffe gewährleistet, verankert, teilt der Arbeitskreis mit.
Neben Wilhelm und Wolfgang Kusserow seien von den Nazis noch etwa 400 weitere Zeugen Jehovas hingerichtet worden. In Ländern wie Russland, Eritrea, Turkmenistan, Aserbaidschan oder Tadschikistan beklagten Zeugen Jehovas auch heute „grobe Menschenrechtsverletzungen", wodurch die Religionsfreiheit nicht gewährleistet sei.